Roman über den sogenannten Amoklauf eines Jugendlichen
Klappentext:
192 Seiten
© Edition Thaleia, St. Ingbert 2012
www.edition-thaleia.de
ISBN 978-3-924944-98-8
Eine Rezension von Thomas Lawall:
Wilfried Kaminski hat seine Kanzlei noch nicht richtig betreten, als er bereits von seiner Renogehilfin zum Telefon
zitiert wird. Müller Zwo von der Jugendkammer hat ein besonderes Anliegen, das dem Rechtsanwalt in die Karten spielt. Sogleich fragt er seine Mitarbeiterin, ob die schriftliche Benachrichtigung schon
da wäre. Auf dem per Fax eingetroffenen Schreiben wird der Termin für eine Haftprüfung genannt, welche im Krankenhaus stattfinden soll. Wilfried Kaminski ist zum Pflichtverteidiger von Sandro
Wallbaum bestellt worden. Fünf Menschen hat er in seiner Schule umgebracht. Der Versuch, sich danach das Leben zu nehmen, misslang. Sandro wachte querschnittsgelähmt in einem Krankenhaus auf
...
Mit solch einem "dicken Fisch" an der Angel ist Kaminski jetzt ein gefragter Anwalt. Kein Kleinkram mehr wie die Strafverteidigung von Eierdieben. Der neue Fall erscheint ihm andererseits wie eine
logische Fortsetzung seiner bisher bevorzugten Tätigkeiten. Stets hatte er einen guten Draht zu jugendlichen Straftätern entwickeln können, die sich in der typischen Entwicklung vom ersten Diebstahl
bis hin zu Körperverletzungen und schwereren Straftaten verzettelt und verlaufen hatten. Zudem könnte er den üblen Gerüchten nun endlich entgegentreten, im Rahmen seiner Homosexualität gewisse
Dienste der Jungen in Anspruch genommen zu haben. Eine Affäre mit einem bis zum Hals Gelähmten können ihm seine Neider nun keinesfalls auch noch unterstellen. Mit diesem Mandat liefert ihm die
Jugendkammer eine "echte Steilvorlage" und jetzt kann er seinen beschädigten Ruf endgültig "aufpolieren" ...
Jugendgerichtshelfer Alexander Feininger zeigt zunächst wenig Interesse an dem Fall, zumal er sich nicht zuständig fühlt. Der Sozialpädagoge sieht seine Kollegin Petra Müller in der Pflicht, zumal
sie mit diesem "Bengel" bereits zu tun gehabt habe. Stellenleiterin Agnes Röscher vertritt eine andere Auffassung, nicht zuletzt im Zusammenhang mit einer kürzlich erfolgten Krankmeldung der
Kollegin. Feininger lässt sich nicht überzeugen und erst ein schriftliches Machtwort in Form einer Dienstanweisung der Fachbereichsleitung kann ihn dazu bewegen, wenn auch unter Protest, aktiv zu
werden. Bei genauerem Studium eines älteren Berichtes der Jugendgerichtshilfe entdeckt er ein erstes Mosaiksteinchen, welches Im Fall Sandro Wallbaum eine vielleicht nicht zu unterschätzende Rolle
gespielt haben könnte ...
Feininger nimmt Kontakt mit Sandro auf. Behutsam, und er nimmt sich Zeit.
Ebensoviel Zeit nimmt sich Hans-Jürgen Fischer für seinen Roman. Einseitige Sichtweisen sind ihm fremd, weshalb sich auch meine Vorbehalte zu "Sandros Strafe" bereits nach der Lektüre von nur wenigen
Seiten vollständig aufgelöst haben. Nahtlos verbindet er nüchterne Sachlichkeit mit einer fiktiven Geschichte um den Sozialpädagogen Feininger und den 16-jährigen Sandro Wallbaum, der in einem
Amoklauf (schlimmes Wort), bekanntlich auch "School-Shooting" (noch schlimmeres Wort) genannt, eine generalstabsmäßig geplante und mit äußerst brutalen Mitteln ausgeführte Abrechnung inszeniert
hat.
"Sandros Strafe" ist kein reißerischer, bluttriefender Thriller, der ein diffuses Bild auf der Basis bekanner Tötungen von Menschen in schulischen Einrichtungen, wie z.B. in Blacksburg, Kauhajoki
oder Winnenden, dramatisiert, sondern das sensible Portrait eines Menschen, der keinen Ausweg mehr wusste und der sich selbst an das Ende seiner todbringenden Phantasien stellte, letztlich aber
scheiterte und sich nun völlig unerwartet und unvorbereitet einem Schicksal stellen muss, das außerhalb seiner Planungen lag.
Quelle:
http://home.arcor.de/tomary/Literatur/Sandros_Strafe/sandros_strafe.html