Fischers Schreibbude!
FischersSchreibbude! 

                        Kratzer im Lack

Ein satirisches Lesebuch mit Liedern, Geschichten, Sketchen und Lyrik

 

ISBN: 9783752884760

Paperback: 10,00 €

Ebook:           5,49 €

 

Klappentext:

Die satirischen Texte dieses Buch richten sich an Menschen, die sich ihren Sinn für das Erkennen alltäglicher Zumutungen bewahrt haben, und die vorhaben, auch weiterhin offenen Auges durchs Leben gehen. Schließlich muss man heutzutage schon genauer hinsehen, um nicht ständig belogen und betrogen zu werden. Man kann sich da gut an den Gepflogenheiten beim Gebrauchtwagenkauf orientieren.

 

 

Leseprobe:

 

Bankgespräch

Wir schauen in eine Dezembersonne, der es nur wenig erfolgreich gelingt, sich durch die dunklen Wolken zu mogeln. Der Park macht einen verwahrlosten Eindruck, das weiß gefrorene Laub wirkt wie Unrat.

Der Glatzkopf mit dem Dreitagebart schlurft wie jeden Tag um diese Zeit über die gewohnten Wege, um „seine“ Bank anzusteuern. Wie stets wird er sich ermattet fallen lassen und mit einem tiefen Seufzer jenen Zeiten nachhängen, in denen er noch gebraucht wurde – so hat er es vor, und so ist es zu seinem täglichen Ritual geworden. Als er den letzten Heckenrosenbusch passiert hat, hinter dem „seine“ Bank steht, erfasst ihn offenbar Unsicherheit. Seine Schritte werden langsamer, zögerlicher. Er scheint zu überlegen, ob er nicht schnurstracks weitergehen soll. Seine aufsteigende Wut scheint jedoch stärker als seine Angst zu sein, und entschlossen setzt er sich nun auf „seine“ Bank.

Doch die ist heute von einem anderen besetzt. Dreisterweise hat der sich in die Mitte gesetzt, sodass dem Glatzkopf nur die rechte Ecke bleibt. Schwer atmend und zwanghaft geradeaus blickend braucht er einige Minuten, bis er zur Aktion fähig ist. Die besteht darin, den Kopf langsam nach links zu drehen, das Profil des unerwünschten Bankpartners in den Blick zu nehmen und mit einer Stimme, die eigentlich Überlegenheit demonstrieren soll, aber ziemlich zittrig rüberkommt, zu fragen:

„Wo kommst´n du her?“

„Ich von Ivory Coast. Elfenbeinküste, deutsch heißen.“

„Dass du aus Afrika bist, ist ja nicht zu übersehen. Schwarz genug bist du ja.“

Allmählich scheint das vermisste Gefühl der Überlegenheit beim Glatzkopf zurückzukehren, und mit fester Stimme setzt nach: „Warum bist´n du da nicht geblieben? In Deutschland ist kein Platz mehr, alles voll hier. Von euch kommen immer mehr, aus Afrika, aus Nahost. Alles Muslims. Aus dem Mittelalter scheinen die zu kommen, mit ihrem Koran und all dem Blödsinn. Du bist auch Muslim?“

„Katholik, ich Katholik“, sagt der Banknachbar, pult im Halsausschnitt seines Pullovers und zeigt ihm ein goldenes Kreuz, das er ein einer dicken, goldenen Kette trägt.

„Gold? Du bist reich, oder?“

„Nein! Nix Geld, nix Essen, nix Familie, ganz allein. Ich komme Deutschland, ich immer Hunger. Kein Geld, nur Kette. Nix Kette für Essen, immer Kreuz behalten.“

Der Glatzkopf sieht ihn prüfend an und sagt: „Da bei euch, in Westafrika, ist doch keine Wüste. Viele Bäume, Urwald, Savanne. Da müsst Ihr doch leben können. Und du kommst hierher, nimmst unser Essen, wohnst auf unsere Kosten, nimmt unsere Arbeit weg. Ich bin arbeitslos, weil du und deine Kumpels meine Arbeit für den halben Lohn machen. Oder für noch weniger.“

„Zuhause immer Hunger. Land kaputt. Nur Plantagen, Monokultur, Pestizid. Kein Essen wachsen auf Land, nur Kakao, Kaffee, Bananen, alles Export. Kein Fisch mehr, Fisch in Deutschland. Deutsch Schiff fangen Fisch bei uns, Ozean leer.“

„Dann müsst ihr euch dagegen wehren. Andere Regierung wählen, oder die Typen wegjagen, die so etwas mit euch machen.“

„Wie? Mit Faust, mit Stein? Die schießen deutsche Waffen. Machen alles für Konzern, Nestlé und so.“

Der Glatzkopf scheint mit seiner Weisheit am Ende zu sein. Sein Rückzugsgefecht besteht aus einer beschwichtigenden Geste, als er dem Schwarzen unbeholfen die Schulter hätschelt, begleitet von den Worten: „Das tut mir ja alles leid, aber wir hier können auch nichts dagegen tun. So ist das heute. Globalisierung, verstehste?

Und mit der allmählich wachsenden Erkenntnis der beiden ungleichen Männer, dass sie vielleicht doch irgendwie in einem Boot sitzen, dass sie einen gemeinsamen, unsichtbaren Gegner haben, wollen wir uns diskret entfernen.

 

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© Hans-Jürgen Fischer